In Eisfeld werden Rasierklingen für den deutschen und ausländischen Markt gefertigt.

Klassische Rasierklingen gehören ebenso zum Portfolio wie moderne Systemrasierer.

Klassische Rasierklingen gehören ebenso zum Portfolio wie moderne Systemrasierer.

 

Scharfe Sache: Thüringer Rasierklingen für den US-Markt

Ein Jahr nach der Übernahme durch ein amerikanisches Startup herrscht bei Feintechnik Eisfeld Aufbruchstimmung

Von Andreas Göbel

Eisfeld. Es ist laut am Arbeitsplatz von Katja Zimmermann im Werk von Feintechnik in Eisfeld. Der Geruch von Metall und Kühlwasser hängt in der Luft, dutzende Reihen von Maschinen rattern unermüdlich vor sich hin. Unter ihrem streng prüfenden Blick muss alles hindurch, was hier vom Band läuft. Immer wieder entnimmt sie einem Magazin ein paar Dutzend übereinander gestapelte Rasierklingen. Die Fläche, die die aneinander gelegten Seiten bilden wird, muss absolut makellos sein. „Das erkennt man mit dem Auge immer noch am besten“, sagt sie.

Das Produkt wirkt auf den ersten Blick wie ein Dinosaurier in unserer hochtechnisierten Welt: Abertausende der „Sicherheitsklingen“ oder „double-edged-blades“ werden hier jeden Tag gefertigt. Doch in der Tat sei die klassische Rasierklinge äußerst lebendig, erklärt Geschäftsführer Frederic Handt. Vor allem in Afrika und Asien sind die Einzelklingen nach wie vor ein Verkaufsschlager. Dabei gebe es aber große regionale Unterschiede, sagt Handt: Für den afrikanischen Markt müssen die Klingen wegen der härten Barthaare aus speziellem Kohlenstoffstahl gefertigt werden, die europäische Klinge würde zu schnell schlapp machen. „In Europa und den USA erlebt der klassische Rasierer mit Sicherheitsklinge derzeit ebenfalls eine Renaissance – als Lifestyle-Produkt.“

Tatsächlich gibt es einige Parallelen zwischen der klassischen Sicherheitsklinge und der Geschichte des Traditionsunternehmens nahe der thüringisch-bayerischen Grenze. Denn mit 94 Jahren Unternehmensgeschichte und einem Markt, der zu 85 Prozent unter zwei großen Klingenherstellern aufgeteilt ist, wirkt auch Feintechnik auf den ersten Blick wie ein Dino. Als im vergangenen Jahr zudem das amerikanische Startup-Unternehmen Harry’s die Firma übernahm, orakelte so mancher das endgültige Ausbluten und ein baldiges Ende des Unternehmens.

Doch dieser Eindruck könnte falscher nicht sein: Im beschaulichen Eisfeld hat die Übernahme für einen massiven Schub gesorgt. 600 Mitarbeiter sind bei HF Global derzeit beschäftigt, 500 davon in Eisfeld. In den kommenden Jahren sollen noch einmal 200 dazu kommen. „Unser Wachstum im letzten Jahr war zweistellig, der Umsatz liegt im oberen zweistelligen Millionenbereich“, erklärt Handt.“ Genauere Zahlen will er im hart umkämpften Markt nicht nennen. Nach einer ersten Erweiterung gleich nach der Übernahme wurden im Mai zudem die Arbeiten an einer neuen Produktionshalle begonnen.

Im Vergleich zu den jahrzehntealten Maschinen im alten Trakt wirkt die neue Halle mit dem glänzenden Fußboden und den neuesten Produktionsmaschinen wie ein Raumschiff. Beide Welten seien jedoch unverzichtbar für die Produktion, erklärt Handt. Bei der Produktion der klassischen Klingen stünden die alten Maschinen Neueren in nichts nach. „Da ist noch jede Menge Handarbeit und Handwerk gefragt.“ In den neuen Hallen werden hingegen die modernen Systemrasierer produziert, die später unter anderem bei mehreren großen Handelsketten in den Regalen stehen. Wer genau diese Kunden sind, will Handt nicht preisgeben. Bei vielen steht jedoch auf der Rückseite ein Verweis auf die Produktion in Eisfeld.

Insgesamt ist der frische Wind deutlich spürbar, der das Traditionswerk durchweht. Neben den Systemrasierern hat HF Global auch die eigene Marke „Harry’s“ eingeführt, die derzeit aber nur in den USA und Kanada erhältlich ist: „American designed, German engineered“ prangt in dezenter Schrift auf der eleganten Verpackung. Deutsche Wertarbeit sei immer noch ein Begriff in den USA, sagt Handt. Letztlich ist es aber der Preis, durch den Harry’s den Marktführern den Kampf ansagen will: Mit Rasieren ab zehn Dollar und Wechselklingen für zwei Dollar kosten die Klingen der deutsch-amerikanische Koproduktion nur etwa die Hälfte wie beim Marktführer Gilette, sagt Handt.

Eine der wichtigsten technischen Errungenschaften in Eisfeld ist der „gotische Bogen“ – eine spezielle Art des Klingenschliffs, der in seiner Form an die berühmten Spitzbögen erinnert. Der liefert eine hohe Rasurleistung, viel Schärfe und eine gute Haltbarkeit, sagt Handt. „Einen scharfen Schliff herstellen kann eigentlich jeder. Die Kunst ist es, dass die Klinge auch scharf bleibt.“ Zwar sei der gotische Bogen bei Messern und anderen Produkten seit dem Mittelalter bekannt, nur auf Rasierklingen habe ihn bis in die Moderne niemand anwenden können. Erst seit 1996 sei das möglich. Auf den richtigen Dreh kamen die Eisfelder aber erst kurz nach Gilette. „Wir sind auf einem ganz anderen Weg dorthin gelangt“, betont Handt.

Der Fachkräftemangel macht natürlich vor kaum einem Unternehmen halt. „Deshalb setzen wir auf Nachhaltigkeit auch bei unseren Mitarbeitern.“ So sei etwa der Mindestlohn kein großes Thema gewesen, weil die Gehälter ohnehin darüber gelegen hätten. „Außerdem bieten wir jedem Leiharbeiter, mit dessen Arbeit wir zufrieden sind, eine Festanstellung an. Man muss vor allem Verlässlichkeit bieten, um die Leute anzuziehen.“

Auch in Sachen Nachwuchsgewinnung hat sich das Unternehmen große Ziele gesetzt. Von derzeit 15 soll die Zahl der Auszubildenden im kommenden Jahr auf etwa 30 verdoppelt werden. Generell sei das Wohl der Mitarbeiter mit den neuen Partnern in den Vordergrund gerückt, erklärt Handt. Das wird beim Rundgang durch den Neubau deutlich: Obwohl die neuen Umkleideräume und sanitären Anlagen noch nicht fertig sind und erst im September Einweihung gefeiert wird, steht bereits ein Billardtisch in der künftigen Kantine.